Mori aus dem Schrank: Ein Gespräch mit Kinderbuchautorin Ane Bluhm

Schränke haben es uns einfach angetan – und zwar nicht nur solche, die wir in maßgefertigter Form für Sie produzieren. Immer wieder sind wir auf der Suche nach spannenden Romanen, in denen Schränke im Mittelpunkt stehen. So wie in dem zauberhaften Kinderbuch „Mori aus dem Schrank“ der Autorin Ane Bluhm. In der Erzählung spricht eine Puppe vor den Augen einiger Kinder wie von Zauberhand – und damit beginnen zahlreiche Abenteuer. Darüber möchten wir mehr von der Autorin erfahren.

Interview mit der Autorin Ane Bluhm

Schrankwerk: Wir stellen im Rahmen unseres Gewinnspiels derzeit Ihren Kinderroman „Mori aus dem Schrank“ vor – eine Geschichte, bei der eine Puppe das Sprechen lernt und mit Schulkindern spannende Abenteuer erlebt. Wie sind Sie auf diese Romanidee gekommen?

Ane Bluhm: Ich war 35 Jahre lang Grundschullehrerin. In meiner Arbeit mit den Kindern nutzte ich tatsächlich eine pädagogische Handpuppe. Mori gibt es wirklich. Man steckt die Hände in die Puppenhände oder eine Hand in den Hinterkopf und die Puppe beginnt sich zu bewegen. Sie spricht natürlich mit meiner Stimme, aber für die Kinder „lebt“ die Puppe. Montag früh begann unsere neue Schulwoche immer mit einem Morgenkreis. Die Kinder konnten ihre Erlebnisse vom Wochenende loswerden. Dann hieß es immer: „Jetzt muss Mori erzählen!“ Und ich musste mir etwas ausdenken. Am liebsten etwas Lustiges, weil Kinder gerne lachen. Lachen ist gesund und man geht viel leichter die anstehenden Aufgaben an.

Schrankwerk: Wir nehmen an, dass sie als Kind ebenfalls eine große Liebe zu Puppen hatten?  

Ane Bluhm: Eigentlich kann ich nicht sagen, dass ich früher eine besondere Affinität zu Puppen gehabt hätte. Aber mit Kindern wollte ich immer arbeiten. Und Puppen und Teddys wurden vor meine Schulmaltafel gesetzt. Die waren meine Schüler. Damals war ich acht Jahre. Und so wurde ich tatsächlich Lehrerin.

Nach einem schweren Verkehrsunfall konnte ich meinen Beruf nicht mehr ausüben. Ich fiel in ein dunkles Loch. Es dauerte über ein Jahr, bis ich die Depressionen loswurde. Ich litt an Schlafstörungen. Eines Nachts hatte ich plötzlich zwei, drei Verse im Kopf. Die waren gut. Und da ich eh nicht schlafen konnte, holte ich mir Schreibblock und Stift ins Bett und schrieb die Zeilen auf. Und es wurden immer mehr. Ich schrieb bis in den Morgen und hatte an die dreißig Gedichte. Die waren mir regelrecht aus dem Kugelschreiber gefallen. All die Schmerzen und Traurigkeit spiegelten sich in den Gedichten wider. Meine Ärztin erklärte mir später, dass es eine Schreib- und Bibliotherapie gibt. Als Kind und Jugendliche hatte ich schon geschrieben. Nun war das zu mir zurückgekommen. Es ging mir wieder besser, aber die Kinder fehlten mir. Und so begann ich diese Geschichte von Mori. Meine Tochter unterstützte mich in dem Wunsch, die Geschichte zu veröffentlichen…

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Nachfolgend finden Sie das erste Kapitel aus dem Roman „Mori aus dem Schrank“ als kleine Hörprobe

Kleine Hörprobe



Schrankwerk: Und heute arbeiten Sie wieder in Ihrem ehemaligen Bereich?

Ane Bluhm

Ane Bluhm: Heute fahre ich zu Grundschulen und Kinderbibliotheken und lese den Kindern vor. Mori ist natürlich immer dabei. Bisher haben die Kinder immer aufmerksam zugehört und viel gelacht. Das ist mir auch wichtig: Mit Kindern lachen. Jetzt geht es mir gut.



Schrankwerk: Die Puppe Mori wohnt ja in einem Klassenschrank, bevor sie auf Reise geht. Viele von unseren Lesern erinnern sich sicher an einen solchen Schrank aus der Grundschulzeit, der irgendwie immer etwas Geheimnisvolles hatte. Welche Rolle spielt der Klassenschrank für Sie in Ihrem Buch?

Ane Bluhm: Ganz ehrlich, die Puppe Mori legte ich am Ende eines Schultages mit anderen Arbeitsmitteln in den Schrank meines Klassenraumes. Lehrer schließen die Dinge in den Schrank, damit Dinge nicht abhandenkommen. Aus Sicht der lebendigen Mori-Puppe ist klar, dass sie nicht im dunklen Schrank verschwinden will, nicht wahr?

Schrankwerk: Sie haben für Ihre Geschichte ja bewusst einen „fantastischen“ Ansatz gewählt. Ein Genre, das Mädchen und Jungen immer wieder begeistert. Wieso tut Kindern dieser Ausflug in eine solche Fantasie-Welt gut?

Ane Bluhm: Weil Kinder in ihrer Phantasie alles sein können und alles tun können. So etwas ist doch wunderbar!

Mori aus dem Schrank


Schrankwerk: Kinder lieben Rollenspiele und laut vieler Studien sind sie wichtig für ihre Entwicklung. Spielen diese Überlegungen in die Geschichte rund um Mori und Lina auch mit hinein?

Ane Bluhm: Wir sprechen heutzutage von sozialer Intelligenz und emotionaler Intelligenz. Tatsächlich reflektieren Kinder das Verhalten anderer, wenn sie in eine andere Rolle schlüpfen. Unbewusst kann im Spiel Verständnis für andere entstehen. Auch Empathie.

Schrankwerk: Die erlebnisreiche Geschichte ist die eine Seite Ihres Romas. Aber natürlich steckt hinter jedem Buch eine Botschaft. Wie würden Sie die Werte beschreiben, die Sie mit dem Buch vermitteln möchten?

Ane Bluhm: Mori ist eine Puppe, die lebendig wird, wenn sie merkt, dass ein Kind Hilfe braucht. Sie kann sich sogar in ein richtiges Mädchen verwandeln und ist dann auf Augenhöhe mit den Kindern. Nicht immer vertrauen Kinder sich uns an. Leider. Und sie sind dann mit ihren Problemen und Ängsten alleine. Mori zeigt Lösungsstrategien und letztlich wird klar, wie Kinder sich helfen können. Wichtig ist die Achtsamkeit gegenüber anderen und dass ich selbst nicht alleine bin. Ein Kind wird nicht gemobbt, wenn es Freunde hat, die ihm sofort zur Seite stehen. Auch EIN Freund reicht manchmal nicht, wenn der ängstlich ist. Selbst ein Mobber fühlt sich nur in der Gruppe stark.

Wenn es in den Medien heißt, dass unsere Gesellschaft verroht, dann muss ich sagen, dass das auch schon in den Grundschulen angekommen ist. Und Lehrer kriegen nicht alles mit. Ich war manchmal erschrocken, wenn mich die Mutter eines Schülers anrief und mir erzählte, „was in den Pausen oder am Nachmittag so abgeht.“ Und ich meine nicht, dass mal jemand geschubst oder an den Haaren gezogen wird. Mobbing ist, wenn immer wieder eine bestimmte Person beleidig wird, man sie ausgrenzt oder gar Schlimmeres passiert.

Die Mori-Bücher sollen Mut machen und Kinder stark machen. Und sie für andere sensibilisieren. Übrigens: Ich spreche an dieser Stelle von Büchern, denn der zweite Teil „Mori außer Rand und Band“ erscheint in Kürze!

Schrankwerk: Wie wichtig ist das Lesen für und mit Kindern? Was können sie schon im frühen Lebensalter daraus lernen? 

Ane Bluhm: Lesen können ist einerseits Basis für den selbständigen Wissenserwerb und andererseits wichtig für die Phantasie. Und damit auch für die Entwicklung der Kreativität.

Ich habe neulich für zwei Klassen in der Jahrgangstufe 3 gelesen. Die Kinder hatten aufmerksam zugehört und konnten im Anschluss Fragen zum Inhalt beantworten. Als ich wissen wollte, wie Sebastian, Simon, Lina usw. aussahen…in ihrer Vorstellung…meldeten sich wenige Kinder. Die anderen hatten das Vorgelesene nicht gesehen. Keine eigenen Bilder im Kopf produziert. Wenn Kinder immerzu Filme schauen, lernt das Gehirn nicht, sich eigene Bilder zu machen. Da gehen wichtige Ressourcen verloren. „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ Dieser kluge Satz stammt leider nicht von mir, sondern von Albert Einstein.

Und damit Kinder auch im 21. Jahrhundert lesen, sollten wir das mit ihnen gemeinsam tun. Ihnen etwas vorlesen oder mit ihnen zusammen, abwechselnd: eine Seite ich, eine Seite du. So wissen die Eltern auch, was das Kind liest und es ergibt sich vielleicht einmal ein Gespräch, das es ansonsten nicht gegeben hätte. Die kindliche Neugier meiner Tochter, was an Büchern so toll ist, war geweckt worden, weil sie mich lesend sah. Ich war manchmal in ein Buch vertieft und wollte nicht gestört werden. Da musste doch was toll dran sein!

Schrankwerk: Eine letzte Frage, die wir unseren Autoren und Autorinnen stellen: Was waren Ihre drei Lieblingsbücher während der Kindergarten-, Schul- und Teenagerzeit?

Ane Bluhm: Als ich in den Kindergarten ging, liebte ich „Heiner und seine Hähnchen“. Ich habe später viele Bücher von Benno Pludra gelesen. Als ich in Potsdam studierte, durfte ich eine Hausarbeit über seine Kinderliteratur schreiben. Und weil er in Potsdam-Nedlitz wohnte, rief ich ihn an und fragte, ob ich ihn persönlich sprechen dürfe. Ich durfte. Es war ein interessantes Gespräch. Ich weiß noch, wie er zu mir sagte, dass er „immer eine Art Anwalt für die Kinder sein möchte“. Das bestätigt sich, wenn man seine Bücher liest. Schließlich, das muss ich erwähnen, hatte er auch einige Zeit als Lehrer gearbeitet.

In der Grundschulzeit war „Pippi Langstrumpf“ meine unangefochtene Heldin. Astrid Lindgren ist ein Vorbild für mich geworden, seit ich ihre Biografie las. Und in der Teenagerzeit träumte ich vom „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry, „der alle Meere, Flüsse, Städte, Berge und Wüsten kennt.“

Literarisch war ich wohl schon immer eine Europäerin. (grins)

Ane Bluhm, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Über das Kinderbuch

Auf ins Abenteuer mit Mori
Beim Kinderbuch „Mori aus dem Schrank“ handelt es sich um einen Kinderroman mit einer Länge von rund 150 Seiten, das für Kinder im Grundschulalter perfekt geeignet ist. Das liebevoll und kindlich gestaltete Cover weist bereits darauf hin, worum es in diesem Roman geht: Nämlich eine Puppe, die offensichtlich in einem Schrank lebt und nun in die große weite Welt flüchtet.
„Mori aus dem Schrank“ ist ein Kinderbuch, das sympathisch und dazu verständlich geschrieben ist. Mori nimmt ihre Leser und Leserinnen mit in eine fantastische Welt, wo Kinder das sein können, was sie wollen – die Autorin schenkt den Kindern so eine Auszeit vom Alltag und schult sie darin, sich auf neue Situationen einzulassen und in ihnen ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Jüngere Mädchen und Jungen lesen den Roman zusammen mit ihren Eltern, ältere Kinder auch alleine.

Die Abenteuer mit Mori gehen weiter:
Im 2. Teil, „Mori außer Rand und Band“, kommt Mori zurück, weil diesmal Finja Hilfe braucht. Die ist nämlich mitten im Schuljahr in die Klasse von Simon und Sebastian dazugekommen. Sie ist etwas pummelig und wird deshalb von einigen Mädchen gemobbt. Das lässt Mori nicht zu!

Auch mit dem Kinderbuchautor Bernd Sieberichs durften wir uns über sein fantastischen Kinderroman „Der Frank im Schrank“ unterhalten.